Pressemeldungen - Archiv

Januar 2024

Prof. Dr. A. Ring mit seinem Patienten Dmytro

Kriegsverletzter Soldat am St. Rochus Hospital operiert

Unterkiefer aus dem Wadenbein rekonstruiert

Ein Soldat aus der Ukraine hat am St. Rochus Hospital einen neuen Unterkiefer erhalten. Seit seiner Kriegsverletzung aus den ersten Tagen des bewaffneten Konflikts mit den Russen konnte Dmytro weder normal essen noch verständlich sprechen. Den Plastischen Chirurgen aus Castrop-Rauxel ist es gelungen, seinen Kieferbogen zu rekonstruieren und die Funktionalität wiederherzustellen.

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Am 20. Oktober des vergangenen Jahres ist Dmytro (45) bei den Castroper Spezialisten für mikrochirurgische Eingriffe eingetroffen. Er war schrecklich entstellt, weil Granatsplitter seinen Unterkiefer komplett weggesprengt hatten. Da der Resonanzraum der Mundhöhle zerstört war, konnte er kein verständliches Wort äußern. An Kauen und eine normale Nahrungsaufnahme war gar nicht zu denken.

Eigentlich hatte er zunächst Glück im Unglück. Er hat überlebt und ist unverzüglich in Behandlung gekommen. Doch dann entpuppte sich die Wiederherstellung seiner Kinnlade als ein großes Problem. Drei vergebliche Operationen musste er über sich ergehen lassen, bevor ihm – anderthalb Jahre nach seiner Verletzung – von Prof. Dr. Andrej Ring und seinem Team endlich geholfen werden konnte. Zunächst ist in der Ukraine versucht worden, den Unterkieferknochen aus einer Rippe zu rekonstruieren. Nach dem dies scheiterte, ersuchte man Hilfe bei Spezialisten in England und in Polen, wo Knochenmaterial aus dem linken Wadenbein und dem Beckenkamm für weitere vergebliche Wiederherstellungs-versuche entnommen worden ist.

„Als der Patient zu uns kam, stand er mit dem Rücken zur Wand“, berichtet Prof. Ring. „Eine derart komplizierte Verletzung birgt das Risiko, dass seine Situation nach einem erneuten Scheitern schlechter wird als zuvor. Wenn der Patient sich allerdings nicht dafür entscheidet, bleibt seine Lebensqualität auch auf einem Tiefpunkt, er bleibt für immer auf Pflege angewiesen und kann nie mehr halbwegs normal am Leben teilhaben.“

Prof. Ring und sein Team haben in den vergangenen Jahren wiederholt vor allem Kinder mit schweren Verletzungen aus Krisengebieten erfolgreich am St. Rochus Hospital in Castrop-Rauxel versorgen können. Vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen ist er deshalb schon kurz nach dem Ausbruch des Ukrainekriegs dem Ruf der Deutschen Gesellschaft für Plast. Chirurgie gefolgt und hat die Klinik für Plastische Chirurgie als möglichen Operationsstandort für Kriegsverletzte gemeldet. Die Vermittlung von Dmytro erfolgte auf Anfrage des Medizinischen Evakuierungsdienstes des ukrainischen Gesundheitsministeriums.

Rekonstruktionen dieser Art werden in Deutschland gewöhnlich von Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurgen übernommen. Doch aus diesem Fachbereich hat sich niemand für die Versorgung von Kriegsverletzten bereitgefunden. „Als geplante Operation würden wir die Behandlung einer Verletzung am Kiefer eigentlich nicht übernehmen“, sagt Prof. Ring. „Unsere Erfahrungen auf diesem Gebiet kommen aus der Tumorchirurgie. Vor allem Patienten mit fortgeschrittenem Hautkrebs müssen im Zuge der Krebsoperation oft schwere Deformationen im Gesicht hinnehmen und benötigen anschließend Gewebetransplantationen zur Behebung der operationsbedingten Defekte. Solche Rekonstruktionen werden regelmäßig in unserer Klinik durchgeführt.“

Bei Operationen wie der von Dmytro wird Knochen mit umliegendem Gewebe und Blutgefäßen von anderen Körperstellen entnommen, in die benötigte Form gebracht, an den verletzten Stellen eingefügt und erneut mikrochirurgisch an den Blutkreislauf angeschlossen. „Das sind langwierige Eingriffe, die nur deshalb so erfolgreich gelingen, weil auch das Umfeld optimal mitspielt“, betont Prof. Ring. So war die stundenlange Narkotisierung des Soldaten eine große Herausforderung für die Narkoseärzte, weil die üblichen Intubationswege im OP-Gebiet lagen und nicht zur Verfügung standen. Auch die Radiologie musste sich für die Planung und Kontrolle der komplexen Rekonstruktion besonderen Anforderungen stellen. Nach der Therapie waren die Internisten und Intensivmediziner gefragt, weil zur Infektionsbekämpfung eine Maximalbehandlung erforderlich war. Den Zugang für eine vorübergehende Ernährungssonde haben die Allgemeinchirurgen eingerichtet.

Heute befindet sich Dmytro in einer Reha-Einrichtung in der Ukraine. Der neue Unterkiefer ist angewachsen, er kann reden und Nahrung zu sich nehmen. Natürlich steht ihm noch eine lange Genesung bevor. Auch weitere Behandlungen wie zum Beispiel die Implantation von Zähnen stehen an. Prof. Ring unterhält Kontakt zu seinen Ärzten und berät bei der Weiterbehandlung. Doch nach einer langen Irrfahrt von Arzt zu Arzt hat er jetzt eine sehr gute Chance auf ein Leben, das wieder lebenswert ist.

Dr. Klaus Klother

Ethikveranstaltung

Muslimische Patient:innen im Ethik-Konsil

Die SLG St. Paulus Gesellschaft in Dortmund hat sich Ende 2023 auf einer internen Veranstaltung im St. Rochus Hospital in Castrop-Rauxel mit dem Thema „Ethische Fragen im Umgang mit muslimischen Patientinnen und Patienten“ auseinandergesetzt. Eingeladen hatten der Leiter des Ethikkomitees, Chefarzt Dr. med. Hinrich Böhner, und der Beauftragte für Christliche Unternehmenskultur, Dr. Klaus Klother (Foto).

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Ethische Fragen im Zusammenhang mit schwer erkrankten Patientinnen und Patienten im Sterbeprozess werden in den Krankenhäusern der SLG St. Paulus Gesellschaft in moderierten Gesprächen mit allen Beteiligten einvernehmlich geklärt. Besondere Sensibilität erfordert in diesem Zusammenhang der Umgang mit dem kulturellen und religiösen Hintergrund des betroffenen Menschen. „Als christlich fundierte Einrichtungen sind wir offen für die Versorgung aller Menschen, die unsere Hilfe benötigen und nachfragen – unabhängig von Herkunft und kulturellem Hintergrund“, leitete Chefarzt Dr. med. Hinrich Böhner die Veranstaltung ein. „Die Begegnung mit verschiedenen Kultur- und Religionszugehörigkeiten gehört zum stationären Alltag. Aber sind wir Ärztinnen und Ärzte, Pflegenden und Mitarbeitenden aus der klinischen Versorgung auch immer gut darauf vorbereitet, in schwierigen Entscheidungssituationen angemessen mit Betroffenen und Angehörigen unterschiedlicher Herkunft umzugehen?“

Warum Kultursensibilität im Krankenhaus?

Einen Einblick in die Herausforderungen der Kommunikation mit muslimischen Patientinnen und Patienten gab Dr. med. Assem Aweimer, der Hauptredner der Veranstaltung. Der kardiologische Oberarzt am BG Universitätsklinikum Bergmannsheil in Bochum setzt sich als deutscher Muslim aktiv für das Thema Kultursensibilität im Krankenhaus ein. Seine Kernbotschaft: Muslim ist nicht gleich Muslim, Muslima nicht gleich Muslima. Vor allem bezogen auf die Herkunft (ob Syrien, Türkei, Afghanistan oder Marokko, zum Beispiel) gebe es große Unterschiede. Dabei spielten regionale Besonderheiten häufig eine noch größere Rolle als die Religion selbst, so der Mediziner. Konflikte gebe es etwa, wenn die Menschen aus Ländern mit schlechterer Gesundheitsversorgung die Auffassung hätten, das Gesundheitssystem in Deutschland sei ein Paradies mit unendlichen Ressourcen. Wenn die Ärztin oder der Arzt keine Indikation für eine Weiterbehandlung sehe, vermuteten Betroffene dann in manchen Fällen schnell und unbegründet Alltagsrassismus. Auch das Bewusstsein, dass muslimische Patientinnen oder Patienten nicht immer automatisch Ausländer:innen seien, sondern gegebenenfalls eingebürgerte Personen oder Menschen, die seit vielen Jahren in Deutschland leben, gehöre zum kultursensiblen Umgang im Krankenhaus, so Dr. Aweimer.

Sein Fazit: Im Koran gebe es keine kategorischen Ge- oder Verbote zu Gesundheitsfragen, etwa zur Intensivtherapie. Das Bild des Islam, wo unterschiedliche Schulen oft kontroverse Auffassungen verträten, sei bunter und vielfältiger als es der Titel der Veranstaltung suggeriere. Wichtig seien ein Verständnis für diese Tatsache und eine entsprechende Sensibilität für jeden einzelnen Fall.

Dr. Klaus Klother (unser Foto), Beauftragter für Christliche Unternehmenskultur, betonte mit Blick auf den Wertekodex der St. Paulus Gesellschaft, kultursensible Arbeit vor kirchlichem Hintergrund und aus christlichem Selbstverständnis heraus läge nahe: „Bei uns wird Vielfalt nicht nur plakativ benannt, sondern auch im Alltag gelebt. Der Islam begegnet uns sowohl im Umgang mit den Patientinnen und Patienten als auch mit der Belegschaft.“ Die Veranstaltung sei ein Baustein unter vielen, um Kultursensibilität in den Einrichtungen voranzutreiben. Es gehe darum, zu informieren und die eigene Selbstreflexion anzuregen. „Vorbehalte sind verbreitet“, so Dr. Klother. „Problematisch ist es, wenn wir sie uns nicht bewusst machen. Deshalb entwickeln wir Methoden, um mit kulturbedingten Konfliktfällen umzugehen – die ethischen Fallbesprechungen sind dafür ein hervorragendes Mittel.“

Ethikkommission seit 2017

Vor fast sieben Jahren wurde die Ethikkommission für die Häuser der SLG St. Paulus Gesellschaft gegründet. Seitdem hat es bereits über 20 Besprechungen nach dem Integrativen Konzept für ethische Fallbesprechungen gegeben. Privatdozent Dr. med. Christian Teschendorf, Chefarzt der Inneren Medizin am St. Josefs Hospital in Dortmund-Hörde, erläuterte in seinem Vortrag die Einberufung, den Ablauf und den Zweck einer ethischen Fallbesprechung. Dies tat er am praktischen Beispiel eines Wachkomapatienten, bei dem auf Wunsch der Familie die invasive Beatmung eingestellt werden sollte.

Als abschließender Redner berichtete Olaf Kaiser, evangelischer Krankenhauspfarrer und Leiter des Ethikkomitees der SJG St. Paulus Gesellschaft, wie er in der Praxis der christlichen Seelsorge auch an das Bett von muslimischen Patientinnen und Patienten gerufen wird. Dies geschehe, weil er mit seiner seelsorgerischen Kompetenz für alle religiöse Fragen empfänglich sei und über ein Grundverständnis von Religiosität verfüge. Als „Mosaiksteine der Verständigung“ sehe er Gelegenheiten, bei denen die kulturellen Besonderheiten von Christentum und Islam aufeinandertreffen und überein gebracht werden können. Das sei erfolgreich, wenn Verständnis füreinander geweckt und die Bereitschaft signalisiert werde, aufeinander zuzugehen. Im Gespräch gelinge es, sich wechselseitig zu informieren, um Hintergründe zu verstehen.